Periode 1976-1986: neues Gebäude, 175jähriges Jubiläum, Standortwerbung

Nach einer sich über 2 Jahre erstreckenden Plan- und Bauphase zieht die Kammer am 6. August 1976 im Erdgeschoss des neu errichtenden Appartementhauses “Residenz Reinartzhof” an der Ecke Herbesthaler/Vervierser Strasse (Standort des ehemaligen alten Bahnhofs) ein. “Erstmalig nach 172 Jahren ihres Bestehens hat die Kammer eigene Räume bezogen. Zentrale Lage, gute Planung und solide Ausstattung sichern einen funktionellen Arbeitsablauf verbunden mit einer bescheidenen und notwendigen Repräsentation. Die Kammer kann stolz auf das Erreichte blicken” (Auszug aus dem Geschäftsbericht des Jahres 1976).

Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten auf internationalen und innerbelgischer Ebene setzen sich 1976 fort. Die Verschiedenartigkeit der im Kammerbezirk tätigen Industriezweige trägt wesentlich zur Milderung der Probleme bei. Trotz der zufriedenstellenden Situation ist ein ständiger Anstieg der Arbeitslosigkeit zu beobachten. In den Zeiten der Hochkonjunktur hat besonders unser Kammerbezirk aus seiner Grenzlage heraus viele Arbeitskräfte, insbesondere zu Deutschland hin, abgeben und sich durch andere Arbeitskräfte – teils Gastarbeiter aus den Südländern – verstärken müssen. Bei Arbeitsplatzverlust der Grenzgänger ist unser Bezirk jedoch nicht in der Lage, diese Arbeitskräfte aufzunehmen. 1978 verliert der Kammerbezirk durch das große Brandunglück in der Spinnerei Peltzer/Eupen eine bedeutende Textilfirma und 150 Personen ihren Arbeitsplatz. 1979 und in den Folgejahren sind gekennzeichnet durch einen bedeutend steigenden Diskontsatz der Nationalbank, wodurch, neben dem allgemeinen Kostendruck, die Betriebe mit ganz erheblichen Finanzierungsschwierigkeiten kämpfen müssen. Die angespannten Staatsfinanzen erlauben keinerlei Impulse für die Wirtschaft von Seiten der öffentlichen Hand. Die Arbeitslosigkeit steigt auch im Kammerbezirk weiter, u.a. zurückzuführen 1980 auf den Konkurs zweier Betriebe im Eupener und Sankt Vither Raum, die rund 200 Arbeitsplätze kosten.

Am 15. Oktober 1979 gedenken die Handelskammern zu Aachen, Maastricht, Verviers und Eupen im Rahmen eines Festakts mit rund 600 Festgästen, zu denen auch der deutsche Bundespräsident Karl Carstens gehörte, der 175. Wiederkehr ihres Gründungsjahres. Referenten sind Dr. Otto Graf Lambsdorff, Bundesminister für Wirtschaft sowie Vicomte Etienne Davignon, Kommissar der Europäischen Gemeinschaft. Am 17. Januar 1980 stellte Präsident Alfred Bourseaux, aus diesem Anlass, ein durch die Kammer erstelltes Buch der Öffentlichkeit vor, das als ein Beitrag zur wirtschaftlichen Förderung für den ostbelgischen Wirtschaftsraum dienen soll. Die Kammer zählt nunmehr 152 Mitglieder.

1981 wird, auch auf Betreiben der Kammer, in der Eupener Industriezone ein eigenes Zolldepot eingerichtet, so dass die zolltechnische Abfertigung in Eupen durchgeführt werden kann. Zu erwähnen ist ebenfalls die Produktionseinstellung bei der Nadelfabrik Beka Eupen, die Ende 1981 voll zum Tragen kam. Die in 1947 gegründete Firma beschäftigte zu ihrer guten Zeit in 1974-1975 annähernd 500 Personen. Um der nationalen Wirtschaftsprobleme Herr zu werden, arbeitete die belgische Regierung Martens V im Jahr 1982 mit Sondervollmachten; so wurden annähernd 200 Königliche Erlasse verabschiedet, um positive Auswirkungen auf Wirtschaft, Beschäftigung und Staatsfinanzen zu erzielen und die Inflation einzudämmen. Ab Mitte der 80er Jahre führen diese Maßnahmen endlich zu einer Stabilisierung der Verbraucherpreise (+0,6 %), nach einer 15jährigen Periode (1971-1985) mit einer durchschnittlichen jährlichen Inflationsrate von 7,5 %.

Im Juni 1985 stellt die IHK der Öffentlichkeit einen Informationsordner der Kammer mit Titel “Ostbelgien – ein interessanter Wirtschaftsstandort” vor, der als Standortwerbung im In- und Ausland dienen soll. Ende 1985 zählt die Kammer 176 Mitgliedsfirmen.

Abschließend für diesen Zeitabschnitt weisen wir darauf hin, dass mehrere Verwaltungsratsmitglieder der Kammer, die sich jahrelang für die Belange der Kammer und der gesamten Regionalwirtschaft eingesetzt haben, versterben: in 1978 Herr Raymond Blaise, in 1979 Herr Johann Wagener, in 1983 Herr Eckart von Asten, in 1984 die Herren Ernest Kötten und August Cremer und 1986 Herr Frédéric Georges Lang.

Periode 1987-1997: veränderte Marktbedingungen, euregionale Aktivitäten

Trotz der positiven Entwicklung der Wirtschaftsaktivitäten unseres Landes ab Mitte der 80er Jahre mit geringer Inflation, stabilen Energiepreisen und einem im Vergleich zu den Vorjahren niedrigen Niveau des Diskontsatzes der Nationalbank bleiben weiterhin zwei große nationale Probleme ungelöst: die Staatsverschuldung und die Arbeitslosigkeit. Am 19. Oktober 1987 kommt es an der Wall Street zu Unruhen mit negativen Auswirkungen auf die europäischen Börsen

Im Jahr 1987 wird die Kammer Mitglied des wallonischen Verbandes der IHKs, der als Gegengewicht zum flämischen Verband angesehen wird. Ende 1987 zählt die Kammer erstmalig 200 Mitglieder. Im Februar 1988 findet am Sitz der Kammer ein wirtschaftspolitisches Rundtischgespräch mit dem in Belgien tätigen Botschafter der DDR statt, ein historisches Treffen, wie sich kurze Zeit später herausstellen wird. 1989 werden die Grenzen zu den Ostblockländern wieder durchlässig, die Wiedervereinigung Deutschands durch den Berliner Mauerfall, … bringen gänzlich neue politische, gesellschaftliche und wirschaftliche Gegebenheiten hervor. Die erhoffte verstärkte Wirtschaftsaktivität zu Beginn der 90er Jahre kommt nicht so recht in Schwung: politische Unsicherheit in Osteuropa, der Exodus dieser Bevölkerung, der Anfang 1991 beginnende Golfkrieg, der Bürgerkrieg in Jugoslawien, …

Am 11. Dezember 1991 wird Josef Bernrath, seit über 20 Jahren Geschäftsführer der IHK, offiziell verabschiedet und sein Nachfolger, Volker Klinges, vorgestellt. Am 24. Dezember 1991 verstirb das langjährige Mitglied des Verwaltungsrates, Herr Curt Mayer.

Ende 1991 bricht die Genossenschaftsmolkerei Büllingen-St. Vith auseinander. Auch der ostbelgische Holzmarkt wird durch gewaltige Übermengen Holz infolge der Sturmkatastrophe von 1990 überschwemmt und führt zu einem bedeutenden Preissturz und somit zu großen Problemen in diesem Sektor. Die Malmedyer Papierfabrik Intermills muss Beginn Dezember 1992 Konkurs anmelden. 500 Arbeitsplätze in beiden Betriebsstätten in Malmedy sind in Gefahr, können aber durch die Betriebsteilung und Übernahme durch den französischen Konzern Sibille Dalle sowie die deutsche Unternehmensgruppe Kiefer größtenteils gerettet werden. Anfang der 90er Jahren werden durch Brände mehrere traditionelle Betriebe in schwere Mitleidenschaft gezogen: Polsterfabrik Rom/Eupen, Kaufhaus “Der Schwan”/Eupen, Schreinerei Töller /Bütgenbach.

Europa steht nach dem Vertrag von Maastricht im Jahr 1992 und im Hinblick auf das “magische Datum” des 1. Januar 1993, Wegfall der EU-Binnengrenzen, vor einer neuen Ära auf dem Weg zur vollständigen Wirtschafts- und Währungsunion. Der Wegfall der Grenzen fordert jedoch auch Opfer. Im Transportsektor gehen im Bezirk Verviers, vornehmlich in Ostbelgien, rund 300 Arbeitsplätze verloren. Die wirtschaftliche Situation Belgiens war Beginn der 90er Jahre durch einen steten Anstieg der Betriebskonkurse und folglich der Arbeitslosigkeit gekennzeichnet. Der reale Rückgang der nationalen Wirtschaft beläuft sich 1993 auf 1,3 %, das schlechteste Ergebnis der letzten 40 Jahre.
Im März 1993 veröffentlichen die IHKs Eupen und Verviers den “Wirtschaftsführer des Verwaltungsbezirkes Verviers”. Die Zusammenarbeit der IHKs der Euregio Maas-Rhein nimmt Anfang der 90er Jahre verstärkt zu: EG-Beratungsstelle, Zuliefervermittlungsdienst, gemeinsame Präsenz auf Messen, Firmentreffen und Business-Lunches, Messebesuche mit euregionalen Firmen, Studien über die Euregio, … 1994 startet unsere IHK die bis zum heutige Tage fortdauernde Zusammenarbeit im grenzüberschreitenden Weiterbildungsbereich mit der IHK Aachen.

Während Mitte der 90er Jahre die wirtschaftliche Situation Osteuropas und der GUS-Staaten weiterhin prekär bleibt, entwickelt sich die Konjunktur ab 1994 in den großen Wirtschaftsräumen USA und EU insgesamt positiv, wobei insbesondere der asiatische Wirtschaftsraum einen wahren Wirtschaftsboom kennt. Die belgische Wirtschaft wird durch den internationalen Aufschwung mitgetragen. Die Europäische Union wird 1995 durch den Beitritt von Österreich, Finnland und Schweden zu einer 15er-Gemeinschaft.

1994 wird unter Mitträgerschaft der IHK die Arbeitsmarktbeobachtungsstelle Ostbelgien geschaffen, deren Aufgabe die permanente Beobachtung des Arbeitsmarktes durch die systematische Erfassung aller relevanten Zahlen und Entwicklungen ist. Zwei neue Aktivitäten der Kammer werden 1995 gestartet, die bis zum heutigen Zeitpunkt fester Bestandteil der Kammertätigkeit sind: die Konjunkturumfrage, der Jahresendempfang. Mitte 1996 beteiligt sich die Kammer an der Gründung des zwischenbetrieblichen Kontrolldienstes Medicontrol, der den Unternehmen bei krankheitsbedingten Abwesenheiten ihrer Arbeitnehmer zur Verfügung steht. Im September 1996 präsentieren die IHKn Verviers und Eupen die neue Auflage des Wirtschaftsführers des Bezirkes Verviers. Im Oktober 1997 veröffentlichen die Kammern der Euregio ein 340 seitiges Wirtschafts- und Kulturporträt der Euregio Maas-Rhein.

Ende des Jahres 1997 tritt Herr Alfred Bourseaux als Präsident der Kammer zurück. Der lang-jährige Präsident wird durch den Verwaltungsrat in Anerkennung seiner hohen Verdienste um die Entwicklung der Kammer und des ostbelgischen Wirtschaftsbezirkes der Titel “Ehrenpräsident” verliehen. Am 17.12.1997 findet aus diesem Anlass eine Feier statt, an der rund 200 Gästen aus Wirtschaft und Politik teilnehmen. Mit dem Abschluss des Geschäftsjahres 1997 feiert die Kammer ein seltenes Jubiläum: Herr Felix Peters ist seit 50 Jahren Mitglied des Verwaltungsrates.

Periode 1998-2004: Akkreditierung, ISO-Zertifizierung, 200jähriges Bestehen

Zum 1. Januar 1998 übernimmt Herr Axel Bourseaux das Präsidentenamt der Kammer, zu einer Zeit, als durch den Strategieplan des Nationalverbandes, bedeutende Veränderungen auf die belgische Kammerlandschaft zukommen. Der besonderen geopolitischen und sprachlichen Situation der ostbelgischen Kammer ist in diesem Plan nicht Rechnung getragen, so dass die IHK Eupen nur weiterbestehen könnte, wenn sie mit einer oder mehreren Kammern fusionieren würde.

Trotz der allgemeinen guten wirtschaftlichen Lage im Jahr 1998 verliert unser Kammerbezirk und insbesondere die Stadt Malmedy mit dem Konkurs der traditionsreichen Firma Utammo einen über Jahrhunderte tragenden Wirtschaftssektor, die Lederverarbeitung. Die Gebäude der Firma werden Jahre später durch Umbau in ein Messezentrum einer neuen Zweckbestimmung zugeführt. Eine Verlangsamung der weltweiten Wirtschaftsaktivitäten zeichnet sich Ende 1998 ab, die ihren Ursprung in der Finanzkrise in Asien hat.

Ende des Jahres 1998 versterben mit den Herren Gert Noël, Verwaltungsratsmitglied, und Josef Bernrath, Geschäftsführer i.R., zwei Persönlichkeiten, die die Kammertätigkeit über Jahrzehnte entscheidend geprägt haben.

Trotz mehrmonatiger intensiver Verhandlungen mit den verschiedenen Instanzen des Nationalverbandes kann letztlich erst am 28. April 1999 im Rahmen der außerordentlichen Generalversammlung des Nationalverbandes ein Kompromiss zum vorliegenden Strategieplan für die IHK Eupen gefunden werden. Ab dem zweiten Halbjahr 1999 laufen die Vorbereitung zwecks Akkreditierung der Kammer an: Partnerschaftsabkommen mit der Vervierser Baukammer, Satzungsänderungen, insbesondere die Bezeichnung der Kammer (Industrie- und Handelskammer Eupen-Malmedy-St. Vith), der Zweck, die Mitgliedschaft und die Besetzung des Verwaltungsrates werden abgeändert, ISO 9001-Zertifizierung, Kooperationsabkommen mit der IHK Aachen, Entwicklung einer eigenen Website.

Aufgrund einer neuen Gesetzgebung ab Januar 1999, die den Zugang zu den beruflichen Tä-tigkeiten erschwert, sinkt die Anzahl Firmengründungen im Jahr 1999 und in den Folgejahren in Belgien drastisch. Für den Kammerbezirk bedeutet dies 1999 ein Rückgang von 42 % im Vergleich zu 1998. Das weltweite Wirtschaftswachstum, das im Jahr 1999 bereits bedeutend war, nimmt im Jahr 2000 weiter zu. Die Arbeitslosenquote liegt in der D.G. mit unter 5 % auf einem historischen Tief, viele Betriebe beklagen einen akuten Arbeitskräftemangel, der teil-weise hemmend auf eine weitere Expansion einwirkt. Im Laufe des Jahres 2000 werden durch Übertragung der Ausübung der Beschäftigungszuständigkeit von der Wallonischen Region an die D.G. zwei neue Gremien geschaffen: autonomer Verwaltungsrat des Arbeitsamtes der DG, Wirtschafts- und Sozialrat der DG. Anfang 2000 nimmt der Studienkreis “Schule und Wirtschaft” unter Mitträgerschaft der IHK seine Tätigkeit auf mit dem Ziel, für einen ständigen Dialog zwischen schulischen Einrichtungen und der Unternehmenswelt zu sorgen. Ende 2000 kündigt die Kammer die Mitgliedschaft beim wallonischen Kammerverband auf. Die Fußballeuropameisterschaft 2000 in Belgien und Holland nutzen die drei IHKs der Provinz Lüttich, um für den Wirtschaftsstandort intensive Werbung zu betreiben. Ende 2000 zählt die Kammer 340 Mitgliedsfirmen.

Im Mai 2001 wird die Kammer durch den Nationalverband akkreditiert, wodurch die Zukunft der Kammer Eupen als eigenständige und vollwertige Kammer im belgischen Gefüge gesichert ist. Mit Stolz kann darauf hingewiesen werden, dass unsere Kammer im Rahmen der Akkre-ditierungsprozedur die erste belgische Kammer war, die gleichzeitig über beide Zertifikate (ISO-Zertifikat, Akkreditierung) verfügte. Endgültiges Resultat des Strategieplans bis heute: Reduzierung der Anzahl belgischer Kammern von 26 auf 16.

Das gesamtwirtschaftliche Umfeld verschlechtert sich im Laufe des Jahres 2001, wobei die konjunkturelle Abschwächung durch die dramatischen Ereignisse in Amerika am 11. Septem-ber 2001 beschleunigt wird. Auch der ostbelgische Wirtschaftsraum bleibt von diesem Klima der Ungewissheit nicht unberührt. Lichtblick auf europäischer Ebene ist die Einführung zum 1. Januar 2002 des Euro. Europa wächst wieder ein Stück näher. Die Jahre 2002 und 2003 sind, auch für viele ostbelgische Firmen, durch schwierigere wirtschaftliche Verhältnisse ge-kennzeichnet: schwächere Nachfrage, Preisdruck, verstärkte internationale Konkurrenz, … Die Arbeitslosigkeit steigt im Kammerbezirk auf zwischen 6 und 7 % an, zurückzuführen auf eine gedämpfte Einstellungspolitik der Betriebe sowie auf einen Anstieg von Personen mit Wohnsitz in Ostbelgien, die im Ausland arbeitslos geworden sind.

Am 15. Mai 2003 erhält die Kammer das Qualitätszertifikat ISO 9001 nach der neuen Norm 2000. Am 3. Juni 2003 werden die Herren Robert Mockel und Dr. Marc Knauf zum Präsi-dent bzw. Vize-Präsident der Kammer gewählt. Ihrem 200jährigen Bestehen gedenkt die Kammer am 30. April 2004 im Rahmen einer lokalen Festveranstaltung mit über 200 Gästen. Gastredner sind u.a. der Präsident des belgischen Nationalverbandes und Wirtschaftsminister Serge Kubla. Zum 1. Mai 2004 werden zehn Staaten Mittel-, Ost- und Südeuropas in die Eu-ropäische Union aufgenommen, wodurch die künstliche Trennung des Kontinents in “Ost” und “West” beendet wird. Noch nie in seiner langen Geschichte war Europa mit nunmehr 25 Staaten so geeint. Wie sich die zukünftige gesamtwirtschaftliche Entwicklung in Ost- und Westeuropa und derer sozialen Auswirkungen darstellen wird, wird uns die Zukunft lehren. Das Rekordniveau der Erdölpreise stellt unbestritten das wichtigste Finanzereignis des Som-mers 2004 dar. Spekulationen, terroristische Bedrohung und kriegerische Auseinanderset-zungen sowie der bedeutende Anstieg des Erdölverbrauchs der chinesischen Wirtschaft be-gründen den Preisanstieg um über 40 % innerhalb von 6 Monaten. Ein Preisniveau, das viele Experten erst für 2010 erwartet haben.

Am 23. September 2004 feiert die IHK Eupen auf euregionaler Ebene in Aachen mit den ebenfalls im Jahr 1804 gegründeten Kammern aus Aachen, Maastricht und Verviers und rund 700 Gästen das 200-jährige Bestehen dieser Einrichtungen. Wolfgang Clement, deutscher Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit, hält als Gastredner den Festvortrag.

Periode 2004 bis heute: große Veränderungsprozesse und Krisen

Die letzten 20 Jahren waren durch große Veränderunprozesse – neue Technologien, Globalisierung und demografischer Wandel – geprägt, die in besonderem Maße auch das Wirtschaftsleben in Ostbelgien bedeutsam beeinflusst haben und dies weiter tun.

Neue Technologien beschleunigen und verbilligen Transaktionen, erleichtern globale Kommunikation und machen Güter und Dienstleistungen schneller und umfassender weltweit verfügbar. Die zunehmende Bedeutung der wissensbasierten Qualitätsproduktion hat für viele Staaten bisherige Standortnachteile in Vorteile verändern können. Die fortschreitende Globalisierung verschärft den internationalen Wettbewerb zwischen Unternehmen und Standorten. Der demografische Wandel wird ebenfalls gravierende Auswirkungen auf Wirtschaft und Gesellschaft haben.

Die Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise 2008-2009 stellt auch Ostbelgien vor neue Herausforderungen. Erstmalig in der Nachkriegszeit geht im Jahr 2009 die weltwirtschaftliche Produktion zurück. Europa ist gerade aufgrund seiner intensiven internationalen Verflechtungen von der Krise betroffen, schafft es aber, den wirtschaftlichen Einbruch abzufedern. Manche europäische Staaten, u.a. Belgien und Deutschland, überwinden die Krise schnell, die Auftragsbücher der Industrieunternehmen füllen sich rasant, der Export boomt wieder. Dieser wirtschaftliche Erholungsprozess verfestigt sich dann auch. Anders dagegen ist es in einigen anderen EU-Mitgliedsstaaten. Deren Finanzprobleme haben sich durch die Wirtschaftskrise verschärft. Sie müssen durch Euro-Rettungsschirme finanziell unterstützt werden. In den Euro-Mitgliedsländern kommt es nun darauf an, eine nach vorne gerichtete Wachstumsstrategie mit Haushaltsdisziplin und einer soliden Finanzpolitik zu kombinieren.

In der Zeit von 2012-2019 befindet sich die Wirtschaft wieder auf einem stabilen und hohen Niveau.

Am 16. Juni 2017 tritt Dr. Marc Knauf die Nachfolgeschaft als Präsident von Herrn Robert Mockel an, der 14 Jahre lang den Vorsitz innehatte. Robert Mockel wird aufgrund seiner Verdienste um die Kammer zum Ehrenpräsident der Industrie- und Handelskammer Eupen-Malmedy-Sankt Vith” ernannt.

Im März 2020 stürzt plötzlich die Corona-Pandemie, eigentlich eine sanitäre Krise, die Weltwirtschaft in eine dramatische Krise: Unternehmen droht die Pleite, Menschen verlieren ihre Arbeit. Besonders bei den kleineren Betrieben sind nicht nur die Rücklagen inzwischen aufgebraucht. Sie haben auch ihr privates Vermögen eingebracht. Im Staatshaushalt klaffen tiefe Löcher. Die Verschuldung der öffentlichen Hand steigt massiv an. Die Corona-Pandemie hinterlässt tiefe wirtschaftliche Spuren, von den psychologischen, mentalen, soziologischen und gesundheitlichen Folgen kaum zu schweigen.

Kaum dass diese Krise überwunden schien, beginnt im Februar 2022 der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine. Putins Ukraine-Krieg bedeutet Tausende Tote und erheblichen wirtschaftlichen Schaden weltweit. Die EU beschließt, Europa wirtschaftlich krisenfester aufzustellen, die Energieimporte aus Russland radikal zurückzufahren und die europäische Verteidigung deutlich auszubauen. Auch die ostbelgische Wirtschaft ist durch die Energie- und Rohstoffknappheit und deren Preisexplosion, der steigenden Inflation und damit bedeutsamen Lohnkosten-Anhebungen und die vorherrschende internationale wirtschaftliche und politische Unsicherheit stark negativ betroffen.

In beiden Krisensituationen hat die IHK Ostbelgien versucht, den lokalen Unternehmen ein präsenter und unterstützender Partner zu sein.

Ein kurzer Ausblick nach vorne: Es ist zu unterstreichen, dass Globalisierung und Migration, Digitalisierung und künstliche Intelligenz, Klimawandel und Energiewende sowie Industrie 4.0, die Wirtschaft und Gesellschaft in den kommenden Jahren, auch in Ostbelgien, weiter prägen werden. Neben Herausforderungen bieten sie natürlich neue Chancen, die es zu ergreifen gilt. Eines ist sicher: diese großen Trends werden unsere Welt, in der wir leben, arbeiten und unternehmen, tiefgehend verändern.

Schlusswort

Blickt man zum Schluss auf die 220 Jahre der Entwicklung der Kammer im ostbelgischen Wirtschaftsgefüge zurück, so stellt man fest, dass die Kammer, die ursprünglich aufgrund der in Eupen hochentwickelten Tuchindustrie gegründet wurde, im Laufe ihres Bestehens sich nach und nach zur Interessenvertreterin aller Industriezweige und der gesamten Wirtschaft der hiesigen Gebiete entwickelt hat. Sie hat so manche Aufschwungs- und Blütezeiten hiesiger Industrien und Wirtschaftsunternehmen erlebt, aber auch Phasen schwieriger Anpassung und strukturell bedingten Niedergangs. Entsprechend ihrer Aufgabe, ihrem Status und ihren Möglichkeiten hat sie stets versucht, der ihr zugedachten Rolle gerecht zu werden. Abschließend möchten wir der Hoffnung Ausdruck verleihen, dass die Kammer den beinahe 400 Mitgliedsfirmen und der gesamten ostbelgischen Wirtschaft weiterhin ein wertvolles Instrument sein möge.

Volker Klinges
Geschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Ostbelgien

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